Wie viel Prozent Mensch muss man sein, um Mensch zu sein?

Eine verrückte Frage? Mag sein, aber sie wird trotzdem auf uns zukommen.

Wenn es um künstlichen Ersatz von Körperteilen geht, ist die Frage anfangs gar nicht so schwierig zu beantworten. Ein Zahnersatz und ein Herzschrittmacher – Keine Frage, damit ist man ein Mensch, denn die ein bis zwei Prozent Kunststoff, Keramik oder Metall fallen nicht ins Gewicht. Zwei Beinprothesen und eine Armprothese sind schon etwa dreißig Prozent künstlich, aber trotzdem würde niemand bei einem Schwerverletzten auf den Gedanken kommen, ihm das Menschsein abzusprechen. Wir würden uns mit ihm freuen, dass ihm mit solchen Mitteln geholfen werden kann, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Wie ist das dann bei einer „Ganzkörperprothese“? Wenn das Gehirn in einem ganzen künstlichen Körper am Leben erhalten wird? Vielleicht Hunderte Jahre lang? Ein seltsamer Gedanke, aber jeden Tag kommen wir dieser Möglichkeit näher. Bei welchem Prozentsatz an „Fremdanteil“ ziehen wir eine Grenze?

 

Noch schwieriger wird es bei gentechnischen Veränderungen. Eine kleine Genmanipulation, um Krankheiten vorzubeugen – das ist doch prima. Das würde man seinen Kindern gerne mitgeben, wenn es risikolos wäre. Ein winziger Eingriff, um nicht mehr dick zu werden oder um stärker zu sein, attraktiver oder intelligenter? Würden Sie dazu nein sagen, wenn ihre Freunde oder Nachbarn es tun?

Irgendwoher müssen die Optimierungen kommen. Manches wird man am Computer entwerfen können, anderes wird man fertig übernehmen. In der Natur gibt es reichlich Gene, die Tieren zu Höchstleistungen verhelfen. Besser sehen, besser hören … Darf man sich das gönnen? Ein Hörgerät oder eine Brille gönnen wir uns ja auch. Wie viele besondere Gene sollte man erlauben? Gar keine? Ein paar? Dabei ist es nicht einmal die Frage, ob wir das wollen, denn irgendwann wird es irgendwo geschehen. Gestehen wir demjenigen dann Menschenrechte zu? Wie lange bleibt man „reiner“ Mensch?

Umgekehrt implantiert man menschliche Gene in Tiere, um menschliche Organe zu züchten. Wer keinen Organspender findet, aber dringend ein Herz braucht, wird kaum nein dazu sagen. Also ist es okay, wenn man damit Menschenleben retten kann? Dann könnte man auch Schimpansen einen moderaten Intelligenzschub verpassen, damit sie gefährliche Arbeiten übernehmen. Andere Tiere setzt man ja auch ein, zum Beispiel als Minensucher. Und wenn die Affen eh schon intelligent sind, könnte man sie auch als Diener einstellen.

Frevelhafte Gedanken? Mag sein, aber wir werden sie denken müssen, denn man hat schon herausgefunden, welches Gen Affen fehlt, das beim Menschen Lippen und Zunge steuert und hilft, längere Sätze zu verstehen (Das Gen heißt FOXP2). Die Methoden zur gezielten Genmanipulation sind bekannt. Wie lange wird die Zurückhaltung dauern? Und wenn ein ungeduldiger Wissenschaftler tatsächlich einen intelligenten und sprechenden Affen schafft, bekommt der dann Menschenrechte?

Das ist überhaupt so eine Frage:

National Geografic schreibt:
Je genauer Genetiker und Verhaltensforscher die Großen Menschenaffen untersuchen – Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen und Bonobos – umso mehr schwinden die Unterschiede zwischen ihnen und uns. Das Erbgut von Mensch und Schimpanse, unserem nächsten Verwandten, ist – je nach Analysemethode – zu 93,5 bis 99,4 Prozent gleich. Volker Sommer, Professor für Evolutionäre Anthropologie in London, schreibt in seinem Buch „Menschenaffen wie wir“: «Die meisten Forscher nennen eine Übereinstimmung von 98,5 Prozent.» Anders ausgedrückt: Im Durchschnitt bleibt ein Unterschied zwischen Schimpanse und Mensch von 1,5 Prozent. Der Unterschied im Erbgut von Menschenfrauen und Menschenmännern kann zwei bis vier Prozent betragen. Es gibt also Paare, bei denen der Mann einem Schimpansenmann genetisch ähnlicher ist als seiner Frau.

(Jürgen Nakott unter http://www.nationalgeographic.de/reportagen/grundrechte-fuer-menschenaffen)

Da sind wir also wieder bei den Prozenten. Fragen interessieren sich nicht dafür, ob sie uns gefallen oder nicht. Irgendwann tauchen sie auf und sind dann da. Wie werden unsere Antworten aussehen?


Fotonachweis:
Genom auf Hand: © Sergey Nivens – Fotolia
Affe: WikiImages/Pixabay

 

 

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